Samstag, 31. Januar 2009
Vom Erfolg geküsst (...sieht anders aus)
Sie standen vor einer herkulischen Aufgabe, die Studenten der PR. Freitags gegen acht aufstehen und dann auch noch im Blockseminar den ganzen Theorie-Kram über sich ergehen lassen. Der benotete
Übungsschein leuchtete als Motivation in der Ferne. Der Inhalt: Auch nicht gerade erweckend. Keine Unternehmens-PR, kein kleines Schwarzes und auch keine Schminktipps fürs Get-Together mit Canapees. Ein schnödes Plakat galt es zu gestalten.

Direkt aus dem einem der "führenden Think-Tanks für Kommunikationsmanagement und Public Relations in Europa" (Eigenwerbung) kommt nun die DIY-Plakat-Kampagne zum 600-Jahre-Jubiläum der Universität Leipzig. Eine Kampagne, die schauerlicher, grotesker und widersprüchlicher kaum sein kann. Stumpfes, unzusammenhängendes Namedropping höchst dilletantisch verknüpft mit visuellen und sprachlichen Minderleistungen erster Güte. Stichwort: Alma Mater Lippsiensis.



Die Kampagne ist so brillant, dass sich selbst die Pressestelle nicht getraut hat, das komplette Motiv online zu zeigen. Um die Spannung und die Wirkung zu erhöhen, wurde nur ein winziger Ausschnitt mit menschelndem Beiwerk publiziert. Das arg bemühte Bullshit-Bingo in der verlinkten Pressemitteilung ist allein schon eine Glosse wert.

Wie man aus einem Stock-Foto maximale Peinlichkit erzeugt, hat auch unlängst die Uni Halle der ganzen Welt gezeigt. So weit wird es wohl mit der 600er-Kampagne nicht kommen. Die 150 Plakatwände in schlechtester Lage, die sehr wahrscheinlich vom "Stadtmöblierer" und Sponsor Stöer kostenlos bereit gestellt werden, werden nicht für eine überregionales Peinlichkeit reichen. Eine regionale ist ja auch schon genug.



Wenn Geldmangel und Inkompetenz Hand in Hand gehen, wird eben auch nix draus. So auch sicher bei die nächste Gelegenheit, PR mal von Grund auf zu lernen falsch zu machen. Ist ja auch nur die eigene Uni.

Nachtrag: Ein etwas vorsichtigerer Ansatz zum Thema findet sich bei der l-iz (ex Lizzy). Der Mensch musste den Menschen ja auch gegenüber treten. So was kommt von sowas.

Ein weiterer Realitätsabgleich im WG-Blog.

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Für gänzlich Unerschrockene das Plakat in seiner ganzen Pracht.

uniplakat4 (JPG, 1,342 KB)

uniplakat2 (JPG, 1,315 KB)

Vielen Dank an R. für die Kamera und den Datentransfer.

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My 600¢
Man hat es ja aber auch nicht so einfach: Wenn sich die eigene Uni wie der versoffene Verwandte verhält, den alle auf der Familienfeier kennen, mit dem man aber lieber nicht in der Öffentlichkeit gesehen werden möchte, muss Abhilfe her. Schon klappern die ThinkTanks wie Steine, unter denen schlechte Ideen wie giftige Skorpione hervorkrabbeln. Einmal nicht hingesehen und *zack* hat so ein kleines Biest die Blutbahn der Außendarstellung verseucht. Denn was ist es anderes, als ein permanentes Vergiften mit Kitsch und ein feiger Versuch der Sexualisierung von Bildung, wenn einer sechshundert Jahre alten Hochschule nichts besseres einfällt als das? Keine Werbeagentur aus Klein-Klitschenau klickte dies am heimischen C64 zusammen, sondern die hiesige Studenteria bewies eindringlich, wie schädlich sich defizitäre Hochschulpolitik auf das Stadtbild der Provinzmetropole, in der sie residiert, auswirken kann. Fast mag man es unter dem Kampfslogan „Großzügige Hochschulfinanzierung = Wirkungsvolle Stadtbildsanierung!“ zusammenfassen, wenn nicht die Gefahr bestünde, das am Ende des nächsten Semesters an den Plakatwänden sehen zu müssen. In Comic Sans. Und mit einer Diddlmaus. Da hilft nur noch das Abhacken und Ausbrennen des Stumpfes.

Doch sollte ich nicht so vorschnell urteilen. Womöglich bin ich ja nur neidisch, weil nicht mein Name auf dem Plakat erscheint? Bin ich vom Erfolg geküsst? Mal sehen: An den Fakultäten wird gespart, bis sogar der Staub das Gebäude verlässt, weil er sich von den nur noch sporadisch auftretenden Reinigungskräften ignoriert fühlt. Wer einmal das Gefeilsche um halbe Dozentenstellen für die Länge eines Semesters miterleben musste, dem wird schnell klar, was Erfolg bedeutet: Man muss es auf Papieren nachlesen können, gerne als Zahlenkolonne, vor der ein dickes Plus steht. Nicht etwa in Büchern oder auf Notenblättern, wie die Auswahl der Namen auf den Plakaten suggerieren soll. Was zählt sind knallharte Bilanzen, die wirtschaftliche Potenz signalisieren. Und diese Verschwäbelung der Kultur- und Geisteswissenschaften („Desch kost abba was! - Dann wolle mers net!“) nimmt aktuell immer nekrophilere Züge an. Namen von Literaten, die man aus dem Fernsehen kennt und als mündiger Bildungsbürger schätzt (denn im Notfall kann man bei Jauch damit ja eine Million gewinnen!) wirken hier wie Plastinate - alles sieht so echt aus und stinkt auch gar nicht! Eklig isses abber schon, anfassen würd ich es nicht…

(Womit wir wieder beim Thema wären. Eigentlich sind wir ja nur neidisch, weil unsere Namen dort nicht stehen. Aber dem kann man ja abhelfen…Eins, Zwei, Drei, Edding-Stifte Frei!)

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Bitte dann ein Foto der Edding-Aktion nachreichen!

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Wahrscheinlich waren die anderen Vorschläge noch schlechter bzw. tatsächlich in ComicSans... leider werden wir es nicht erfahren - oder hat jemand Fotos von den Verlierern?

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Ich erinnere mich daran, dass die Stadt Bonn in den frühen 70ern mal mit so einem Kussmund statt des "os" für sich warb.

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oh.

http://www.kussmund-retter.de/

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PR sucks. Aber voll.

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