Montag, 7. Mai 2007
Bild verunstaltet


Jedes Jahr wird im Leipziger Neuen Rathaus eine Veranstaltung veranstaltet, die bis auf den Veranstalter selber bislang noch niemand so richtig begriffen hat. Die Bild-Zeitung drückt ihren "Osgar" am kommenden Sonnabend wieder unwichtigen, wichtigen und halbwichtigen Menschen in die Hand.

Das Ganze soll laut Selbstdefinition ein Medienpreis sein. Gut, man kennt viele Preisträger aus den Medien. Es steht aber die Frage im Raum, ob es allein ein Medienpreis ist, weil ein Preis von einem Medium verliehen wird, welches wiederum darüber berichtet und damit ein höchst selbstzufriedenes Ereignis zelebriert.

Irgendwie geht es bei dem Osgar jedenfalls häufig um Frieden und Fernsehen, und auch oft um Ostdeutschland. Im besten Falle wird er wohl an einen friedlichen ostdeutschen Fernsehstar verliehen. Er verdankt seinen mäßig originellen Namen einem angeblichen Ausspruch eines gewissen Oskar Seifert.

Nach Tokio Hotel sollen dieses Jahr Silbermond (Teenie-Band! Aus Bautzen! Das ist ja Ostdeutschland!) für Geschrei der U16 sorgen, dass sich die Rohre der Citytunnelbaustelle vor dem Neuen Rathaus biegen. Gut, wenn man bedenkt, dass 2001 noch die Jacob Sisters für die musikalische Fraktion einen Preis entgegennahmen, ist das sicher eher eine qualitative Seitwärtsbewegung.

Die Kategorie Wirtschaft hat auch in diesem Jahr ein Herz für schwierige Fälle. Daimler-Chrysler-Chef Dieter Zetsche wird für seinen misslungenen Umbau des Konzerns zur Welt-AG ausgezeichnet. Im vergangenen Jahr wurde Post-Chef Klaus Zumwinkel zum Preisträger auserkoren. Der Klaus Zumwinkel, der auch seit 2003 Oberaufseher bei der Telekom ist, die sich im Leipziger Süden viele Freunde gemacht hat und auch sonst eher mit den eigenen streiklustigen Mitarbeitern kämpft, als sich auf guten Service zu konzentrieren.

Diese Kategorie hat zudem noch den Haken, dass sich nicht wirklich ein ostlastiger Bezug herstellen lässt. Wirtschaftsgrößen aus den neuen Bundesländern gibt es kaum, Lintec-Chef Hans-Dieter Lindemeyer wurde im Jahr 1999 gerade noch rechtzeitig vor dem Börsencrash ausgezeichnet. So kamen dann auch diverse BMW-Granden zu ihrem Pokälchen, weil sie ja artig die 360 EU-Fördermillionen angenommen und daraus ein Werk im Leipziger Nordosten geschnitzt haben. Ein Standort, welcher bislang nicht die erträumten 10.000 Jobs in der Region geschaffen hat.

Doch zurück zum Osgar. Er wird seit vier Jahren reflexhaft an friedensbewegte Menschen aus fernen oder nahen Ländern übergeben. In diesem Jahr ist es der Dalai Lama, der sich diesem Auftritt nicht verweigert hat. Derzeit lächelt seine Heiligkeit auch artig von einigen Plakaten des Leipziger Imagepflegevereins "Leipzig Marketing" bzw. dessen Kampagne "Leipziger Freiheit", die wiederum als Sponsor des Osgars auftritt. Vor dem Dalai Lama waren es unter anderem Desmond Tutu und der Springer-Intimus Helmut Kohl, die sich des knubbeligen Porzellan-Preises nicht nachhaltig erwehrt haben.

Am Montag, 14.5.2007, bereitet die ARD die zusammengestöpselten Höhepunkte des Pokalabends dann noch einmal für den friedlichen ostdeutschen Fernsehzuschauer auf.

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Update, 10.5.2007: Ich bin soeben über eine schöne Titelzeile gestolpert:

"Bild-Osgar für Dalai Lama und Hape Kerkeling".

Da wird sich der alte Tibetaner aber amüsieren.

Kerkelings "Horst-Schlämmer-Blog" wurde im übrigen von Bild.de sehr prominent verkauft. In diesem Blog fand sich dann wieder der Volkswagen-Konzern als inoffiziell offizieller Sponsor ein. Wer mitmacht bei Bild, bekommt also auch nen Preis.

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Nachbloggerschaft
Der Leipziger Stadtteil Kleinbloggersdorf wächst stetig. Noch scheinen aber viele Wohnungen frei zu sein. Vielen der bereits hier Wohnenden wird auch der Gedanke fremd sein, sich beim Bürgeramt, nein, bei leipzigblogs anzumelden. Macht also eine nicht zu überlickende Dunkelziffer an Kleinbloggersdorfern.

Ich selber vermisse noch ein kampagnenartiges Pro-vernünftige-Radiosender-in-Leipzig-Blog. Das Ganze pünktlich zur Eröffnung des Medientreffpunkts Mitteldeutschland (leicht erkennbar an dem ZDF-Studio-Abklatsch in der Bahnhofshalle Ost).

Und natürlich für das neue Image der Stadt ein Bachblog aus dem Rathaus.

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